Unter deutschen Bürokratie-Standards wäre das Datenchaos bei FTX womöglich nicht passiert. Fernab auf den Bahamas entwickelte sich die Kryptobörse allerdings zu einem chaotischen Datensilo. Aufräumen müssen der neue CEO, John Ray III., und das Restrukturierungsteam, wie btc-echo aktuell berichtet.
In einer Gerichtsakte fasst er die misslichen Vorgänge zusammen. Ein mangelhafter Verwaltungsapparat, fehlendes Risikomanagement und auf Amazon-Servern gespeicherte Private Keys bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs.
Neben unangemessenen Finanzkontrollen soll vor allem der Aufzeichnungsprozess äußerst chaotisch gewesen sein. FTX habe sich "auf ein Sammelsurium aus Google-Dokumenten, Slack-Kommunikation, gemeinsam genutzten Laufwerken und Excel-Tabellen verlassen", um Vermögenswerte und Verbindlichkeiten zu verwalten, heißt es in der Akte.
Auch bei der Buchhaltung stellte das Restrukturierungsteam Missstände fest: Rund 80.000 Transaktionen seien als unverarbeitete Buchhaltungseinträge in "allgemeinen QuickBooks-Konten zurückgeblieben". Hauptsächlich "kleine und mittelständische Unternehmen" benutzen die Buchhaltungssoftware. Für das Management eines Multi-Milliarden-Dollar-Konzern sei ein solches System ungeeignet, so Ray.
Passwörter online zu speichern, ist eine schlechte Idee. Noch schlimmer ist es, Private Keys, also die Schlüssel zu einer Krypto-Wallet, auf einem zentral gehosteten Server zu verwahren. Die gescheiterte Kryptobörse sah darin wohl kein Problem, wie Ray erklärt: "FTX speicherte die privaten Schlüssel zu ihren Krypto-Assets über Server bei Amazon Web Services (AWS)."
Es sei eine "besonders schlechte Art des Risikomanagements", argumentiert er weiter. Und tatsächlich: Kurz nach dem Zusammenbruch der Börse stahl ein Hacker rund 400 Millionen US-Dollar aus einer Hot Wallet des Unternehmens.
Machtmonopol bei Gründern
Zwar sollen die Missstände bei FTX intern diskutiert worden sein. Der Einfluss der Gründer auf wichtige Entscheidungen kannte aber kaum Grenzen. Neben Sam Bankman-Fried und Gary Wang gehörte auch der ehemalige technische Direktor, Nishad Singh, zur Führungsriege. Ein namentlich nicht genannter FTX-Manager erklärt in der Akte:
Wenn Nishad [Singh] von einem Bus angefahren würde, wäre das ganze Unternehmen erledigt gewesen. Dasselbe Problem mit Gary [Wang]. Neben dem klaren Machtmonopol hätte FTX es außerdem versäumt, Wirtschaftsdaten am Ende der Finanzberichtsperioden rechtzeitig einzureichen. Zudem wurden keine Back-End-Prüfungen durchgeführt, um wesentliche Fehler zu identifizieren und zu korrigieren.
Der Prozess gegen Sam Bankman-Fried ist für Oktober terminiert. Wann Gläubiger mit einer Entschädigung rechnen können, bleibt abzuwarten.