Von Redaktion auf Freitag, 17. März 2023
Kategorie: KW 11

EZB-Zinserhöhung um 50 Basispunkte: Reaktion von drei Experten

Die EZB hat am Donnerstag mit 50 Basispunkten Zinserhöhung die Märkte durchaus überrascht, wo man wegen die jüngste Bankenkrise eher nur mit 25 Basispunkten gerechnet hatte. Die EZB zieht also ihr Ding durch, kommentiert finanzmarktwelt. Probleme bei Banken in Europa? Nein, alles sei wunderbar, die Banken in Europa stehen bestens da, so die klare Aussage der Notenbanker.

Hut ab EZB – Dr. Jörg Krämer

Dr. Jörg Krämer ist Chefvolkswirt der Commerzbank. Hier seine aktuellen Aussagen: Die EZB hatte zwar auf ihrer Februar-Sitzung Zinserhöhungen um 50 Basispunkte angekündigt. Aber mit Blick auf die Marktturbulenzen war es nicht selbstverständlich, dass die EZB das tatsächlich tun würde – und laut Präsidentin Lagarde sogar mit einer großen Mehrheit. Dagegen hatte der Markt heute morgen eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte nicht mehr eingepreist, so Dr. Jörg Krämer, (…)

Alles in allem erwarten wir, dass der EZB-Einlagensatz weiter steigen wird. Wir teilen nicht die Meinung des Marktes, der für die kommenden Monate keine Zinserhöhungen mehr erwartet. Allerdings prognostizieren wir für den Zinshöhepunkt nicht mehr 4,0 %. Denn die gegenwärtigen Marktturbulenzen könnten aus Sicht der EZB-Ratsmitglieder die Kreditvergabe der Banken dämpfen – und damit auch das Wachstum und letztlich die Inflation. Wir erwarten jetzt für den Sommer einen Zinshöhepunkt von 3,5 %, wobei die EZB ihre Leitzinsen auf den kommenden beiden Sitzungen um jeweils 25 Basispunkte erhöhen dürfte, so Dr. Jörg Krämer.

Degussa-Polleit: Riskanter Zinsschritt der EZB

Dr. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Degussa, schreibt aktuell: Wie versprochen, haben die Räte der EZB den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent angehoben. In gleicher Höhe wurden auch der Einlagenzins (jetzt 3 Prozent) und Spitzenrefinanzierungszins (3,75 Prozent) erhöht. Die Bank wird zudem, wie bereits angekündigt, ihr Wertpapierportfolio um 15 Mrd. Euro pro Monat reduzieren – also dem Bankensystem Zentralbankgeld entziehen –, beginnend im März bis Ende Juni 2023.

Doch es ist die Geldmengenausweitung (und nicht die aktuelle Inflation!), die für die künftige Inflation verantwortlich ist. Zwar gibt es im Euroraum noch ein Geldmengenüberhang, der für Preisauftrieb sorgt. Aber dieser Geldmengenüberhang, der sich ohnehin nicht mehr aus der Welt schaffen lässt, wird bereits rasch abgebaut durch 1) steigende Güterpreise und 2) ein nachlassendes (nominales) Geldmengenwachstum.

Das Ergebnis ist laut Dr. Thorsten Polleit eine schrumpfende reale Geldmenge – die, wie die obige Abbildung zeigt – bereits Rezessionssignale für den Euroraum sendet. Das Bankenkreditwachstum ist in realer Rechnung ebenfalls im negativen Territorium, und auch das signalisiert eine massive Verschärfung der Geldpolitik, die schon jetzt die künftige Inflation stark nach unten treiben wird. Zudem lassen die Turbulenzen im US-Bankenmarkt dunkle Wolken aufziehen, denen sich die Banken im Euroraum sicherlich nicht werden entziehen können – wie bereits der 20-Prozentrückgang der Euro-Bankaktienkurse zeigt.

Wir vermuten, dass dieser EZB-Zinsschritt der letzte in diesem Zinserhöhungszyklus ist; und dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass er relativ bald wieder rückgängig gemacht wird, so Polleit.

Aegon AM: Weitere Erhöhungen werden unwahrscheinlich

Sandra Holdsworth, Head of Rates bei Aegon AM schreibt aktuell zur EZB-Zinserhöhung: Die Europäische Zentralbank hat heute erneut die Zinssätze erhöht. Der Einlagensatz liegt nun bei 3,0 % und damit auf dem höchsten Stand seit 2008. Die Zinssätze sind nun um 3,50 % gegenüber ihrem Tiefstand vom letzten Sommer gestiegen, da die EZB das aktuelle Inflationsproblem in Angriff nimmt. Die EZB hat das Tempo der quantitativen Anhebung beibehalten und in ihrer Erklärung keine Hinweise dafür gegeben, dass weitere Erhöhungen wahrscheinlich sind.

Die Wirtschaftsprognosen wurden laut Sandra Holdsworth wie erwartet geändert. Die künftige Inflation wurde nach unten korrigiert und das Wirtschaftswachstum nach oben, da die Auswirkungen der niedrigeren Energiepreise früher als prognostiziert zum Tragen kommen. (…)

Die Märkte fragen sich laut Sandra Holdsworth nun, ob die Zinssätze in der Eurozone kurz vor ihrem Höchststand stehen – im Gegensatz zu der Situation vor einigen Wochen, als man davon ausging, dass die Zinssätze bei über 4,0 % liegen würden. Angesichts der derzeitigen Volatilität an den Märkten scheint es wahrscheinlich, dass das Tempo weiterer Erhöhungen trotz der derzeit hohen Inflation langsamer sein wird als bisher angenommen.