Wachsendes Bedauern über TTIP-Scheitern in Brüssel und Berlin
Jahre nachdem die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA zum Erliegen gekommen sind, werden in Brüssel und Berlin nun Stimmen des Bedauerns laut. Hätte ein Freihandelsabkommen die aktuellen Spannungen über den Inflation Reduction Act (IRA) der USA verhindern können?
Laut IRA müssen 40 Prozent der kritischen Rohstoffe, die für Batterien für Elektrofahrzeuge benötigt werden, oder 50 Prozent der Batteriekomponenten in den USA oder in einem Land, mit dem die USA ein Freihandelsabkommen unterzeichnet haben, hergestellt werden. „Es gibt das Gefühl, dass die EU besser dastehen würde, wenn ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU zustande gekommen wäre, denn dann würden wir wahrscheinlich zusammen mit Mexiko und Kanada auf der richtigen Seite des IRA sitzen", sagte Michel Petite, Anwalt bei der Kanzlei Clifford Chance und ehemaliger Leiter der Rechtsabteilung der Europäischen Kommission (2001-2007), gegenüber euracitv.
So kommen Hersteller aus Kanada und Mexiko als Mitglieder der nordamerikanischen Freihandelszone USMCA in den Genuss von Steuergutschriften im Rahmen des IRA, die ansonsten für E-Autos „Made in USA" reserviert sind.
Bei einem Freihandelsabkommen mit den USA wäre wohl auch die EU in den Anwendungsbereich des IRA gefallen, so Petite – was die Risiken für die europäische Industrie, die nun damit droht, Produktionskapazitäten in die USA zu verlagern, erheblich gemindert hätte. Zur Realisierung der Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) waren 2013 eine Reihe von Verhandlungen zwischen der EU und den USA aufgenommen worden. Ziel war es, sich auf ein Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen beiden Ländern zu einigen, um den Marktzugang zu verbessern und die Zusammenarbeit bei der Regulierung zu vereinfachen.
Nach Schätzungen des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München hätte TTIP die pro-Kopf Wirtschaftsleistung der EU und der USA um 0,5 bis 4 Prozent steigern können. Die TTIP-Verhandlungen wurden nach dem Sieg von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen 2016 unterbrochen und von den Mitgliedstaaten der EU im Jahr 2019 nach Trumps Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen offiziell für „obsolet" erklärt.
Am Ende waren die Verhandlungen in Streitigkeiten über Subventionen für Boeing und Airbus, die Besteuerung der Digitaltechnik und die Landwirtschaft festgefahren.