Man erlebt offenbar immer mehr Druck von Seiten der Vertreter der Südländer in der EZB, dass die Zinserhöhungen langsam zu einem Ende kommen. Immer höhere Zinslasten für Kredite belasten natürlich Staaten, Unternehmen und Verbraucher, die Schulden aufnehmen. Damit werden die jeweiligen Volkswirtschaften stärker belastet, je höher das Zinsniveau liegt. Traditionell wollen die hoch verschuldeten Südländer natürlich niedrigere Zinsen, währenddessen die Nordländer rund um Deutschland traditionell höhere Zinsen und eine striktere Haltung gegenüber der Inflation favorisieren, so finanzmarktwelt aktuell. Diese Kluft scheint nun noch stärker auszubrechen, und könnte womöglich hin zu den Südländern tendieren in der aktuellen Lage.
Immer mehr Ratsmitglieder der EZB sagen laut Bloomberg ein baldiges Ende der Zinserhöhungen voraus und signalisieren damit einen neuen Konsens, nachdem es auf der letzten Sitzung zu Spannungen gekommen war. Der französische Notenbanker François Villeroy de Galhau (FMW: Tendiert zu den Südländern) machte am Freitag den Anfang und erklärte, die EZB habe die zur Eindämmung der Inflation erforderliche Straffung der Geldpolitik weitgehend abgeschlossen. Seitdem haben seine EZB-Ratskollegen aus Griechenland, Litauen und Kroatien sich ähnlich geäußert. Francois Villeroy de Galhau sagt: "Wir haben den größten Teil des Weges der Zinserhöhungen hinter uns, aber wir haben möglicherweise noch ein Stück Weg vor uns." (31. März)
Yannis Stournaras sagt: "Besonders nach den jüngsten Ereignissen habe ich das Gefühl, dass wir uns dem Ende nähern. Ich kann nicht sagen, dass wir am Ende sind, dass es vorbei ist, aber wir sind definitiv nahe am Ende." (2. April). Gediminas Simkus: "Den Großteil des Weges der Zinserhöhungen dürften wir zurückgelegt haben, am Ziel sind wir allerdings noch nicht." (3. April). Boris Vujcic: "Der größte Teil des Zinserhöhungszyklus liegt hinter uns." (5. April).Während Präsidentin Christine Lagarde seit der ersten Zinserhöhung der EZB im Juli letzten Jahres keine größeren Meinungsverschiedenheiten unter den Entscheidungsträgern hatte, gingen in letzter Zeit die Meinungen darüber auseinander, wie viel weitere Maßnahmen erforderlich sind, um die Inflation auf 2 % zurückzuführen. Ihren Angaben zufolge haben drei oder vier Räte die Anhebung des Einlagensatzes auf 3 % im März nicht unterstützt
Die jüngsten Äußerungen von EZB-Offiziellen deuten darauf hin, dass Händler, die auf zwei weitere Zinserhöhungen um jeweils etwa einen Viertelpunkt wetten, nahe an dem liegen, was die Währungshüter im Sinn haben könnten. Sogar der Erzfalke Robert Holzmann, der zuvor einen Höchstsatz von 4,5 % befürwortet hatte, scheint nun zu einer niedrigeren Rate zu tendieren.